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Das ist es also. Ewa will sich an unserer Mutter rächen.
Aber was habe ich damit zu tun? Es bleibt mir aber keine Zeit
weiter darüber nachzudenken. Ewa zieht sich schnell um und
dann mache ich mich mit meiner neuen Schwester auf den Weg zur
Kirche. Die Trauung wird bald beginnen.
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Als ich vorsichtig die Tür zu dem Raum öffne, in dem
Joanna sich umzieht, verschlägt es mir fast die Sprache.
Sie ist wunderschön in ihrem langen, weißen Kleid und
dem Schleier. Ich bin stolz darauf, mich der Vater einer solch
schönen Tochter nennen zu dürfen.
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Als ich Joanna und Darek Ewa als meine Schwester vorstelle, sind
beide natürlich überrascht, aber es bleibt mir keine
Zeit für Erklärungen, denn plötzlich öffnet
sich die Tür und mein Vater kommt herein. Doch noch bevor
ich ihm Vorwürfe deswegen machen kann, dass er mich jahrelang
belogen hat, betritt eine weitere Person den Raum: Meine Mutter!
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"Hallo, Arkadiusz", begrüßt sie mich lächelnd.
"Und da ist ja auch meine Tochter". Schlagartig verschwindet
das Lächeln von ihren Lippen. "Du hast für sehr
viel Aufregung gesorgt Liebes. Das hat mich nicht erfreut. Nicht
im Geringsten. Und du kannst dir sicher sein, dass dein Handeln
ein Nachspiel haben wird." Ihre Stimme klingt gefährlich
kalt.
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Doch sie wird von meinem Vater unterbrochen. "Du wirst nichts
unternehmen, Justyna. Haben wir uns verstanden? Ich habe dir erlaubt,
dich in das Leben unseres Sohnes einzumischen, doch von Ewa lässt
du deine Finger!" Mein Vater erntet mit diesem Einwand einen
wütenden Blick von meiner Mutter. Sie ist es nicht gewohnt,
dass man ihr offen widerspricht.
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Doch bevor sie angemessen reagieren kann, melde ich mich zu Wort.
"Was soll das heißen, du hast ihr erlaubt sich in mein
Leben einzumischen. Padre? Mutter?" Ich blicke auffordernd
vom einen zum anderen. "Los, Justyna! Erklär unserem
Sohn, was du die letzten Jahre getrieben hast!"
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Der Tonfall meines Vaters sagt meiner Mutter keineswegs zu, doch
schließlich stellt sie mir eine Gegenfrage. "Wo stehst
du heute, Arek?" Noch bevor ich antworten kann, übernimmt
sie das für mich. "Du beherrscht die Unterwelt von SimCity.
Zumindest fast. Aber mit nur ein bisschen mehr Ehrgeiz könnte
die Stadt dir gehören, mein Sohn. Und wem hast du das zu
verdanken? Mir, Arek! Mir! Ich habe seit deiner Ankunft hier in
SimCity dafür gesorgt, dass du in dieser Stadt Fuß
fassen kannst. Ich habe dafür gesorgt, dass man dich respektiert,
dich fürchtet! Und jedes Mal, wenn du schwach wurdest, wenn
du dich von der Organisation, von allem was ich für dich
aufgebaut habe, abwenden wolltest, habe ich dich zurückgeführt.
Und dafür solltest du mir danken. Was wärst du ohne
mich, Arek? Ein Niemand!"
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Ich kann kaum glauben, was ich da höre. "Dir habe ich
das alles also zu verdanken? Siehst du nicht, dass mich das kaputt
macht?" Ich versuche ruhig zu bleiben, doch es gelingt mir
nicht und schließlich brülle ich meine Mutter an. "Ich
ertrage diesen scheiß Job doch nur, wenn ich meine Gefühle
mit Alkohol betäube. Diese verdammte Angst von der Polizei
geschnappt zu werden, immer mit dem schlechten Gewissen leben
zu müssen, Nacht für Nacht aufs Neue das Gesetz zu brechen.
Und dafür soll ich dir danken? Ohne dich könnte ich
so viel glücklicher sein. Hier in SimCity, mit Darek, den
Kindern, mit einem ehrlichen Job. Ohne dich könnte mein Leben
so viel besser sein."
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Was mir nicht gelingen wollte, gelingt meiner Mutter ganz leicht.
Sie bleibt gelassen, als ob jedes meiner Worte an einem unsichtbaren
Schutzschirm abgeprallt wäre. "Nichts hättest du
ohne mich Arek. Gar nichts." Sie lächelt mich überlegen
an. "Nur mir hast du es zu verdanken, dass du nach SimCity
gekommen bist. Ja Arek, ich habe dafür gesorgt, dass du in
diese Stadt kamst. Es gab nie ein Zeugenschutzprogramm. Ich habe
unsere Flucht von Kuba veranlasst, damit du nicht wie ein reicher,
verzogener Bengel in einer Villa aufwächst. In Warschau habe
ich dafür gesorgt, dass du ungestört dealen konntest
um Erfahrung zu sammeln. Doch als ich gesehen habe, dass du zu
überheblich wurdest, musste ich dir einen Dämpfer versetzen.
Die Polizei hat dich nur erwischt, weil ich es so wollte. Die
drei Jahre im Knast sollten dich immer daran erinnern, dass du
vorsichtig sein musst, immer auf der Hut vor dem Gesetz."
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"Das kann doch nicht wahr sein, Mutter!", schreie ich
sie an. "Weißt du überhaupt, was du mir damit
angetan hast? Diese drei Jahre waren die schlimmsten drei Jahre
in meinem Leben. Ich wäre in diesem Loch zugrundegegangen,
wenn das Schicksal mir Darek nicht geschickt hätte."
Doch auch das scheint meine Mutter nicht zu beeindrucken. "Nicht
das Schicksal, Arek", schüttelt sie kichernd den Kopf.
"Ich!" Ich starre sie ungläubig an und auch auf
Dareks Gesicht zeichnet sich die Verwirrung ab. Doch meine Mutter
sorgt schnell für Klarheit. "Ich habe durchaus gemerkt,
dass du mit dem Gefängnis schlechter zurechtkamst, als ich
mir erhofft hatte. Und was wäre ich für eine Mutter,
wenn ich nicht etwas unternommen hätte. Also habe ich dafür
gesorgt, dass er in deine Zelle eingewiesen wurde."
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Sie geht ein paar Schritte auf Darek zu und blickt herabwürdigend
auf ihn hinunter. "Er war schwach und erbärmlich. Nicht
einmal dazu im Stande, eine kleine Gaunerei durchzuziehen, ohne
erwischt zu werden. Ich wollte, dass du jemanden hast, an dem
du deine Überlegenheit ausleben konntest, jemanden den du
beherrscht und erniedrigen konntest, um deinem Frust freien Lauf
zu lassen."
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Man kann die Begeisterung in ihren Worten förmlich spüren.
"Und es hat geklappt", lacht sie. "Vielleicht anders,
als ich es geplant hatte, aber Dariusz Zaskurski hat seine Aufgabe
wunderbar erfüllt. Du hast dich wieder gefangen und konntest
dich im Gefängnis behaupten, so wie ich es mir von Anfang
an vorgestellt hatte."
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Wieder sieht sie Darek mit Verachtung an. "Um ihn wollte
ich mich dann später kümmern, aber das war gar nicht
nötig gewesen. Er hatte nie die Kraft, dich von deiner Berufung
fernzuhalten. Und so wie es aussieht, wird er in Zukunft auch
keine Gelegenheit mehr dazu haben." Auf ihren Lippen erscheint
ein teuflisches Grinsen. Am liebsten möchte ich ihr für
diese Bemerkung an den Hals springen, auch wenn sie meine Mutter
ist. Doch Ewa hält mich am Ärmel fest und verhindert
so, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommt.
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"Ganz anders sah es mit Lucy aus. In ihr habe ich ein Feuer
gespürt. Sie hätte eine Bedrohung für meine Pläne
werden können und deshalb musste sie von der Bildfläche
verschwinden. Zu ihrem eigenen Glück musste ich nur wenig
Überzeugungsarbeit leisten um sie loszuwerden. Immerhin hat
sie mir einen Enkel geschenkt, denn von den beiden Mädchen,
die zwar meinen Namen trugen, habe ich nicht viel gehalten. Das
waren keine Brodlowskis."
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Und dann sieht sie plötzlich Joanna an, die bis dahin schweigend
das Gespräch verfolgt hat. "Doch ich habe mich geirrt
und es bedeutet schon etwas, wenn ich das so offen zugebe. In
einem dieser Mädchen steckte nämlich der Geist, den
ich nicht zu finden gehofft habe." Sie geht auf Joanna zu
und streichelt ihr Gesicht. "Sie hat sich als eine fähige
Mitarbeiterin entpuppt. Sie hat all meine Erwartungen bei weitem
übertroffen. In ihr sehe ich das, was ich früher in
dir gesehen habe, mein Sohn. Und ich hoffe ich werde es bald erneut
in dir erkennen, Arek."
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Sie kommt langsam auf mich zu, schaut mir tief in die Augen und
versucht ebenfalls mein Gesicht zu streicheln, doch ich stoße
ihre Hände von mir weg. "Warum, Mutter?", frage
ich und meine Stimme bebt vor unterdrückter Wut. "Warum
hast du das alles getan?" Langsam wendet sie sich von mir
ab und kehrt an die Seite meines Vaters zurück.
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Ihre Stimme wird ernst, als sie antwortet. "Alles, Arek,
alles was ich getan habe, was ich immer noch tue, dient nur einem
Zweck: Das kapitalistische Krebsgeschwür, dass die Welt fest
in seinem Griff gefangen hält, zu bekämpfen." Kapitalistisches
Krebsgeschwür? Wovon zum Teufel redet meine Mutter da? Meine
Verwirrung muss deutlich erkennbar sein, denn meine Mutter fährt
nach einer kurzen Atempause mit ihren Erklärungen fort.
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"Der Sozialismus, Arek, die Gleichstellung aller Menschen,
ist das, wofür ich kämpfe. Diesem Kampf habe ich mein
Leben gewidmet. Warum sonst hätte ich mich dem Geheimdienst
unserer großartigen Volksregierung anschließen sollen?
Warum sonst, hätte ich mit deinem Vater ein Drogenimperium
aufgebaut? Drogen zerstören deinen Geist, deinen Verstand,
sie nehmen dir die letzte Würde. Und diese reichen Idioten
reißen sie uns aus den Händen. Wir brechen in ihre
Häuser ein, nehmen ihnen das, was sie am meisten lieben,
ihr Geld, ihr Vermögen. Wir sorgen dafür, dass sie sich
niemals sicher fühlen können in ihren kapitalistischen
Trotzburgen. Es mag so aussehen, als ob der Sozialismus für
immer von der politischen Bildfläche verschwunden wäre,
doch solch eine wunderbare Idee wird sich durchsetzen. Sie muss
sich durchsetzen und unsere Arbeit hilft dabei. Siehst du es denn
nicht, mein Sohn?"
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Ihre Augen beginnen zu leuchten und ein irrer Ausdruck erscheint
für den Bruchteil einer Sekunde auf ihrem Gesicht. "Du
bist verrückt Mutter!", platzt es da aus mir heraus.
Wenn Blicke töten könnten, dann wäre es um mich
geschehen. Meine Mutter beginnt am ganzen Körper zu zittern
und ringt darum ihre Fassung wiederzugewinnen. Doch diesmal scheitert
sie.
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